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Made in Germany: Die hundert besten Platten

Dass diese Bestenliste von der Redaktion des Musikexpress erhoben wurde, sollte niemanden abschrecken, denn sie ist wirklich gelungen.
Die einzelnen Alben sind mit Cover und kurzer Kritik vorgestellt. Da auf verschiedene MusikjournalistInnen und MusikerInnen zurückgegriffen wurde, lässt sich über einzelne Kritiken natürlich streiten: Neben nüchternen Berichten stehen (nur sehr wenige) schwelgerisch-schmalzige Abgesänge auf die eigene Jugend.
Fazit: Sehr gelungen und unterhaltsam.
P.S.: Die Nummer 1? Natürlich "Autobahn" von Kraftwerk. (vf)



  Ronald Galenza, Heinz Havemeister (Hg.): Wir wollen immer artig sein... Punk, New Wave, HipHop, Independent-Szene in der DDR 1980-1990 (Schwarzkopf)

30 AutorInnen erinnern sich an die 80er-Jahre in der DDR. Das liest sich so: Eine Unmenge Einzelbeobachtungen, sehr subjektive Eindrücke, teils sehr persönliche Erinnerungen, die die Szene plastisch darstellen. Faszinierend, was im Vergleich zum Westen ganz ähnlich, und was völlig unterschiedlich ist.
Andererseits: Es gibt viele Wiederholungen und Schilderungen, die im Detail nicht so spannend sind und wo fünf verschiedene Perspektiven nichts Neues mehr hinzufügen können..
Es überwiegt aber eindeutig das Positive: Viel Neues wird es nach diesem Buch über den Untergrund in der DDR wohl nicht mehr zu schreiben geben.
Mit anderen Worten: Ein Buch zum Immer-wieder-Lesen. Auf einmal wird wohl niemand die 400 Seiten verkraften. (vf)
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  Geoff Dyer: But beautiful. Ein Buch über Jazz (Argon)

Lester Young, Thelonious Monk, Bud Powell Charles Mingus, so heißen die Helden in Dyers zwischen Dokumentation und Fiktion angelegter Annäherung an den Jazz.
In alltäglichen, zufällig gewählten Szenen erscheinen die Heroen des Jazz als durchschnittliche, schwache und bedauernswerte Männer. Völlig unerwartet ist man also LeserIn plötzlich ganz nah an ihnen dran, an ihrer Musik, an ihren Drogen- und sonstigen Problemen.
Stimmen die Geschichten so? Einzelne Details sind selbst einem Jazz-Dilettanten wie mir geläufig, doch Biografien im eigentlichen Sinn sind das sowieso nicht.
Zum Glück sind die einzelnen Episoden nicht nach ihren Hauptdarstellern benannt, so kann man anfangs raten, sich über den richtigen Tipp freuen oder ärgern, so lange für die Lösung gebraucht zu haben.
Die Transformation musikalischen Ausdrucks in Literatur ist nur selten so intensiv gelungen wie bei Geoff Dyer. Nicht nur für Jazzfans zu empfehlen! (vf)
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  Kingsley Abbott (Hg.): Calling Out Around The World: a motwon reader (Helter Skelter)

Auf 250 Seiten finden sich 37 Interviews, Bestenlisten und Artikel über fast alle Themen, die sich ein Fan nur denken kann. Schon die Zeitschriften, in denen die Beiträge ursprünglich erschienen sind (Goldmine, Rolling Stone,...), lassen auf die Qualität schließen.
Motown allgemein, einzelne KünstlerInnen, das Verhältnis Motown - Northern Soul, sowie Hitlisten lassen keine Wünsche offen.
Die unterschiedlichen Stile und Herangehensweisen der AutorInnen sowie ihre teils auch widersprüchlichen Eindrücke und subjektiven Wahrnehmungen machen das Buch ungewöhnlich lebendig.
Einziger Kritkpunkt: Die kleine Schrift und die fehlenden Zeilenabstände machen das Lesen abseits des Schreibtisches schwierig. (vf)
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  Sylvie Simmons: Serge Gainsbourg A fistfull of Gitanes (Helter Skelter)

Der als Lucien ("Lulu") Ginsburg geborene Musiker Serge Gainsbourg gehört wohl zu den schillerndsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der französischen Popgeschichte. In Frankreich herrschte an seinem Todestag im März 1991 Staatstrauer; Präsident Mitterand ehrte ihn im Nachruf als "unser Baudelaire, unser Apollinaire".
Außerhalb Frankreichs assoziierte man bisher mit Gainsbourg bestenfalls die "je t'aime ...moi non plus"-Nummer und Skandale. Höchste Zeit dem Genie Gainsbourg auch die verdiente internationale Anerkennung zukommen zu lassen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung setzt die meines Wissens erste englischsprachige Biographie des Ausnahmekünstlers.
Sie bietet den uneingeweihten Leser einen ausgiebigen Einblick in das komplexe Lebenswerk des Interpreten, Texters, Komponisten, Schauspielers, Regisseurs und Schriftstellers Gainsbourg.

Daneben enthüllt sich das öffentliche und private Leben eines Besessenen. Von den prägenden Erlebnissen als jüdischstämmiger Jugendlicher in der NS-Besatzungszeit bis hin zu alkoholbedingten Skandalauftritten in der Rolle seines alter egos "Gainsbarre", die seinen letzten Lebensabschnitt beherrschten, spannt sich der Bogen.
Wichtige Persönlichkeiten aus dem Umfeld von Gainsbourg, allen voran natürlich Jane Birkin, Tochter Charlotte Gainsbourg, sein Produzent Philippe Lerichomme, Marianne Faithfull, Sly Dunbar , Robbie Shakespeare und Alan Hawkshaw, aber auch Fans wie Nicolas Godin von Air kommen zu Wort.
Die persönlichen Stellungnahmen sind elegant in die Textstruktur verwoben und ergeben eine flüssig geschriebene und komplexe Innen- sowie Außenansicht des Künstlers. Lob verdient auch die umfangreiche Diskographie, die auch nahezu sämtliche Auftragskompositionen für andere Interpreten sowie Coverversionen enthält. (dp)
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  Jon Savage: England's Dreaming. Anarchie, Sex Pistols, Punk Rock (Ed. Tiamat)

Jon Savages wohl ultimatives, 500-seitiges Werk über die britische Punk-Bewegung liegt nun endlich in deutscher Sprache vor. Teils distanziert beobachtend, teils Zitate schmetternd, mit Coverfotos und Fanzine-Faksimiles erzählt er die Anfänge des Punks. Malcolm McLaren kommt ebenso zu Wort wie unbekannte Zufallszeugen, wissenschaftliche Abhandlungen zitiert Savage mit derselben Selbstverständlichkeit wie Bonmots Betrunkener.
Eindrucksvoller lässt sich diese eigenartige Mischung aus Protest und Rezession, Musik und Auflehnung gegen aufkommenden Thatcherismus, Exzentrität, No Future und purer Geschäftemacherei
nicht beschreiben. Und schließlich wird klar, warum Punk und einige seiner Protagonisten rasch zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufgerieben wurden. Ein Muss für alle, die jemals Clash, Sex Pistols oder Damned gehört haben.
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  Thomas Steinfeld: Riff. Tonspuren des Lebens (DuMont)

Steinfeld beschreibt, wie sich Popmusik (in einem breiten Sinn verstanden) in alle Bereiche unseres täglichen Lebens eingeschlichen hat. In 24 Stücken erzählt er vom Schrei, über die Ununterscheidbarkeit der alltäglichen Geräusche vom modernen Alltagslärm, wie der Film von der Popularmusik geprägt ist und über den Unterschied zwischen Bildern und Posters.
Jede einzelne Geschichte ist für sich allein ansprechend, doch wer auf einmal drei Stunden entbehren kann, wird wegen der Querverbindungen noch mehr belohnt.
Am Ende liefert Steinfeld die Erklärung, warum sich gerade die Riffs, die einfachen Melodien und die sich wiederholenden Refrains so in unserem Leben so nachhaltig festsetzen konnten: "Der Ton hat nun einmal keinen Bestand, er ist das Flüchtige schlechthin, und darin unterscheidet er sich vom Material aller anderen Künste. Aber das gilt nur, solange man ihn hört. Wenn er aber verschwunden ist, und wenn aber auch die Ohren aufgehört haben, dem Lärm der Verstärker hinterherzupfeifen, nimmt der Ton eine beinahe feste Gestalt an: in der Erinnerung. Und das ist dann fast schon so etwas wie Glück." Aufklärung und praktische lebenshilfe für Musikfans. (vf)
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  Caroline Sullivan: Bye Bye Baby. Meine tragische Liebesaffäre mit den Bay City Rollers (Argon Verlag)

Die späten 70er bestanden bei mir aus Teens und Boney M. 20 Jahre später habe ich die Größe dazu zu stehen. In der Zwischenzeit habe ich mich gewundert und geschämt, warum es nicht wenigstens Blondie war, wenn schon nicht Clash, Sex Pistols oder Buzzcocks.
Caroline Sullivan stand in den späten 70ern unter dem Einfluß der Bay City Rollers, was auch kaum besser ist. Eine musikalische Sozialisation kann so ein abruptes Ende finden und in eine Sackgasse führen.

Dazu kommt, dass Sullivans Obsession für die BCR gewaltige Ausmaße angenommen hat: Sie gründet einen Fanclub und reist ihren Stars durch die gesamten USA nach.

Witzig beschribt sie, wie sich ihr Leben jahrelang um die Band dreht. Interessant sind die Zufälligkeiten, die sie in diesen Wahnsinn treiben und wieder davon abbringen (soweit so etwas ganz möglich ist).

Fazit:
1. Endlich wieder einmal eine streckenweise sehr lesenswerte Autobiografie über das Aufwachsen mit Popmusik aus weiblicher Sicht.
2. Statt 333 Seiten wären 150 ausreichend gewesen.
3. Über manchen Peinlichkeiten sollte der Mantel des Schweigens und Vergessens nicht gelüftet werden. (vf)
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  Sascha Verlan, Hannes Loh: 20 Jahre Hiphop in Deutschland (hannibal)

Kann Hiphop nur aus dem Ghetto kommen? Ist Rap ohne Sprayen und Breakdance denkbar? Sind Fanta 4 Hiphops oder Poser, die zur richtigen Zeit aufs richtige Pferd gesetzt haben?

Auf etwa 350 Seiten lassen Hannes Loh (Anarchist Academy) und Sascha Verlan 20 Jahre Revue passieren, indem sie bekannten und weniger bekannten Hiphops weitgehend das Wort überlassen und ihnen nur Stichworte und Themen vorgeben.

Aufgeteilt in etwa 80 kurze Kapitel ergeben sich kurze Eindrücke, die sich fast immer zu einem kompakten Bild zusammen setzen lassen. Der O-Ton ist äußerst lebendig und wiegt die manchmal etwas wahllose wirkende Aneinanderreihung von Episoden bei weitem auf.

Wer zu jung ist, um die Old School live erlebt zu haben, Details nachlesen will oder einfach neugierig ist, wie unterschiedlich sich Hiphop in Deutschland und Österreich entwickelt hat, wie Szenen entstanden und wieder verschwunden sind, ist mit diesem auch bebilderten Band bestens bedient. Vor allem der wechselnde Blick der beiden Autoren - teils engagierte Beteiligte, teils nüchterne Chronisten - wird der Vielfalt gerecht. Eine Absage an die eine Geschichte. Sehr lesenswert.
P.S.: Im Anhang gibt es die 100 ersten deutschen Hiphop-Platten. Teils nur in kleinsten Auflagen erschienen sind sie über Napster größtenteils zu finden. (vf)
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  Deborah Geller, Anthony Wall (Hg.):
In My Life: The Brian Epstein Story
(Faber)

Brian Epstein ist als der biedere Manager hinter den frühen Beatles bekannt, der seine Boygroup in den Pophimmel manövrierte.
Diese Biografie, die auf einer Vielzahl von Inteviews (Paul Mc Cartney, George Martin ua) beruht, zeichnet das Bild einer zerrissenen Persönlichkeit, die zwischen dem gespaltenen Verhältnis zu seiner jüdischen Herkunft, seiner Homosexualität, einer ausgeprägten Spielsucht und Drogenproblemen aufgerieben wird.
Sein früher Tod aufgrund einer Überdosis 1967 erscheint nach dieser außergewöhnlichen Lebensgeschichte, die sich ständig zwischen am Extremen orientierte, nicht sonderlich überraschend.
Einfühlsam legen die AutorInnen die zwiespältige Persönlichkeit hinter der Fassade des Musik-Managers frei und eröffnet damit auch einen interessanten neuen Blick auf die Fab Four. (vf)
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