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Devics:
My Sinking Ship (Bella Union)
Zeitlose Musik: 10 Sterne
Das
Quartett aus Los Angeles hat es geschafft, in Österreich bisher überhaupt
nicht aufzufallen. Obwohl die Band letztes Jahr mehrere Monate auf Europatour
war, seit 1996 drei LPs veröffentlicht hat und auf den Soundtracks
einiger Filme vertreten ist.
Ihr neues, viertes Album sollte den Bann brechen können. Faszinierend
sicher spielen sie Lieder, die zwischen Chanson, Ballade und Rock angesiedelt
sind. Viele Vergleiche drängen sich auf, besonders werden ihnen immer
wieder Ähnlichkeiten zu Nick Cave und Portishead nachgesagt. Diese
sind nicht ganz von der Hand zu weisen, aber die Lieder leben von den
einprägsamen Melodien, dem oft dramatischen Aufbau und der charismarischen
Stimme der Sängerin Sara Lov.
Zweifellos eines meiner bisherigen Lieblingsalben dieses Jahres. (vf)
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Suzanne
Vega: Songs in Red And Gray (Interscope)
Typisch Vega: Schlichte, schöne Popsongs
Wer
"Luka" kennt, kennt alle ihre Lieder.
Sie sind immer einfach gestrickt, gehen ins Ohr und vermeiden laute, aufdringliche
Effekte. Die hohe Schule des Songwritings besteht aber gerade in diesem
sparsamen Einsatz von Mitteln. Und Suzanne Vega holt das Maximum heraus.
Keine Scheibe für jeden Anlass, aber einige der schönsten, leichtesten
Lieder dieses Jahres. (vf)
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Tori
Amos: Strange Little Girls (Atlantic)
Enttäuschend
Tori
Amos ist vor allem bei ihren Konzerten für ihre exzellenten Coverversionen
bekannt. Besonders "Smells Like Teen Spirit" besitzt bereits
Kultcharakter. Das neue Album, auf dem sie Lieder von Männern interpretiert,
ließ deshalb viel erwarten.
Das Ergebnis ist leider etwas enttäuschend. An das oben genannte
Nirvana-Cover kommt keiner der Songs auch nur annähernd heran.
Zwar sind durchaus einige Nummern sehr interessant (bonnie and Clyde,
Strange Little Girl, Rattlesnakes), aber vom Hocker reißt mich keines.
Dafür gehen einige Lieder voll in die Hose, besonders "Heart
of Gold" ist vollkommen verstümmelt und in Fetzen liegen gelasen
worden.
Tori Amos ist mit beiden Beinen in die Cover-Fall getappt: Wer bekannte,
außergewöhnlich gute Lieder covert, sollte das nur tun, wenn
das Ergebnis nichts zu wünschen übrig lässt. Wenn aber
solche Nullnummern dabei sind, verdichtet sich der (bei Covers immer gehegte)
Verdacht, dass es um billiges Schmarotzen geht.
Das wird Tori Amos wegen ihrer starken Verfremdungen wahrscheinlich niemand
vorwerfen, aber wirklich überzeugende Nuinterpretationen sind ihr
nicht gelungen. An die Originale kommt sie in keinem einzigen Fall heran.
(vf)
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Anita
Lane: Sex O´Clock
(Mute/Virgin)
Hörenswerte Selbstzerfleischung
Diese Frau ist keine Frohnatur. Wer sich als Opener "Home is where
the hatred is" aussucht, nistet sich eher in den düsteren Gegenden
ein.
Kein Wunder, denn Anita Lane stammt zumindest musikalisch aus dem Nick Cave-Umfeld.
Wie auf ihren früheren Alben arbeitet sie mit Mick Harvey (Bad Seeds)
zusammen.
Ihre Texte und seine Musik wirken wie aus einem Guss. Die glatte Oberfläche
bringt die morbiden und selbstzweiflerischen Texte umso besser zur Geltung.
Nur "Do the Kamasutra" wirkt etwas aufgesetzt und gekünstelt.
Dazu kommen gut ausgewählte Coverversionen.
An Marianne Faithfull kommt sie allerdings nicht heran. Trotzdem ein Popalbum
mit viel Atmosphäre. (vf)
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Sparklehorse:
It´s A Wonderful Life (Capitol/EMI)
Ausnahmealbum des Multiinstrumentalisten
Mark
Linkous ist Sparklehorse. Der vielseitige Amerikaner hat nach zwei Alben
und einer EP sein bisher bestes und zugänglichstes Werk abgeliefert.
Waren die früheren Platten Konzeptalben, auf denen die einzelnen
Lieder aufeinander bezogen waren, bietet das neue Album 12 wunderschöne
Lieder, die man sich durchaus auch einzeln anhören kann.
Die Stimmung ist durchgehend eher melancholisch und ruhig, das bedeutet
aber nicht Langeweile. Den Titelsong unterlegt Linkous mit einem Rauschen,
er setzt viele Instrumente ein und als Gäste tauchen Nina Persson
(Cardigans, A Camp), PJ Harvey und Tom Waits auf.
Die wunderschönen Melodien und die abwechslungsreichen Arrangements
ergänzn sich zu einer der schönsten Platten dieses Jahre.
Zusätzlich erzählt Linkous noch herrlich seltsame Geschichten.
Kaufen! (vf)
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The
Honeydogs: Here´s Luck
(Palm Pictu/Zomba)
Der Charme des Alltäglichen
Muss
gute Musik innovativ sein? Warum können Bands bezaubernd sein, die
immer nach ihren Vorbildern klingen?
The Honeydogs stellen uns vor diese ewigen Fragen der Popmusik.
Ihr viertes Album ist perfekter als alles, was sie je gemacht haben. Schon
der Opener "Stonewall" zeichnet mit seinem schleppenden Schlagzeug,
der akustischen Gitarre und dem Orchester den eingeschlagenen Weg vor:
Hier geht es um den perfekten Popsong, der in der Tradition der üblichen
Verdächtigen steht.
"Wilson Boulevard", der Höhepunkt des Albums, erzählt
von der Jagd nach den Träumen, die vielleicht nie in Erfüllung
gehen.
The Honeydogs singen die Lieder über die Gefühle und Stimmungen,
die alle kennen und die darauf warten, in Lieder verpackt zu werden.
Nicht aufregend, aber die CD wächst schnell ans Herz. (vf)
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Tahiti
80: Puzzle (Virgin)
Unwiderstehlich charmanter Pop
Es
bietet sich an, Tahiti 80 als eine der vielen VertreterInnen des grassierenden
80er-Revivals zu sehen. Das würde ihnen aber nicht gerecht werden.
Auf "Puzzle" gibt es entspannten Pop, der mit unschuldigem Gesicht
das Rad neu erfinden will. Geht natürlich nicht, wir wissen das alle
und erkennen auch die Anleihen, die das französische Quartett in
den Sixties, bei Britpop und Elektro genommen hat. Sei´s drum, ich
lasse mich gern von diesen quälenden Fragen nach dem nächsten
Drink und ob die Frisur passt unterhalten. Wie singen sie gleich zu Beginn
des ersten Tracks:
"Will you ever see me
like a possible lover again?
I am fed up to be
your twin brother you´re not my sister."
Ein wunderbares Debutalbum. (vf)
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Deacon
Blue: Homesick (Roadrunner/Edel)
Ein weiterer Grund, sich dem 80er-Revival zu verweigern
Erst
kürzlich habe ich mir (unfreiwillig) alte Deacon Blue-Lieder anhören
müssen. Damals wiegte ich mich noch in der trügerischen Überzeugung,
dass sie glücklicherweise Geschichte seien. Leider nein.
Das Revival der 80er-Band gerade jetzt ist wohl kein Zufall und es scheint,
dass eher MarketingstrategeInnen als die eigene unbändige Inspiration
zu dieses Album geführt haben.
Wie klingt das? 80er-Oberflächlichkeit gepaart mit schwammigem Easy
Listening.
Wahrscheinlich gibt es dafür eine gar nicht so kleine Kundschaft.
(vf)
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Technique:
Pop Philosophy (Poptones)
Synthiepop für die Massen
So
klingt das 80er-Revival in seiner besten Form. Schon beim Opener "Sun
Is Shining" kann man nicht mehr ruhig sitzen und Xan Tylers traumhaft
abgehobene Stimme ist jede Sünde wert.
Verlangen, Sehnsucht, heiße Sommertage am Strand - danach klingt
dieses Album, dessen Synthie-Pop die infantilsten Seiten in uns herauszuholen
vermag. Einziger Schwachpunkt: 7Lieder und 2 Remixe sind doch etwas dürftig.
Trotzdem: Bisher das poppigste Poptones-Album. (vf)
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Talk
Talk: Missing Pieces (Pond
Life/Ixthuluh)
Als
sich Talk Talk 1991 auflösten, hatten sie eine beeindruckende Wandlung
von einer heute oft unterschätzten Synthie-Pop-Band zu einer Gruppe,
die das übliche Popschema erfolgreich zu sprengen versuchte, hinter
sich. "Missing Pieces" zeigt die Band auf ihrem musikalischen
Höhepunkt.
"After The Flood", "Myrrhman", "Ascension Day"
sind die drei Singles ihres letzten Albums "Laughung Stock"
und "New Grass" ist in seiner Albumversion vertreten.
Sieben Lieder, von denen der Großteil (alle?) bereits veröffentlicht
wurde, klingt sehr nach schnellem Geld. Da aber außer "New
Grass" alle schwer oder gar nicht erhältlich waren, rechtfertigt
diese Veröffentlichung doch. Denn dieses Album enthält keine
Lückenbüßer.
Mit insgesamt 17 MusikerInnen hat Mark Hollis diese Lieder eingespielt,
die sich alle zwischen Pop und Ambient einordnen lassen, in denen sich
das Spiel mit Stille und Langsamkeit vorzeichnet, das er auf seinem Soloalbum
perfektionieren sollte. Vom magischen Opener "After The Flood"
über das 9 minütige, jazzige "New Grass" bis zu "Stump",
in dem sich zufällig wirkende Geräusche zu einem Song entwickeln,
der von einem raffiniert einfachen Schlagzeug zusammen gehalten wird,
zeugen die Lieder vom ständigen Suchen Mark Hollis´nach einer
eigenen Klangsprache. Unbedingt genauer (und öfter) hinhören!
(vf)
Links:
Die Talk Talk Diskographie bei musicselect
Die
beste Talk Talk Site im Netz
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Joe
Strummer and the Mescaleros: Global A Go-Go (Hellcat/Epitaph)
Joe
Strummer mag ja von seinen früheren Projekten einen riesigen Vertrauensvorschuss
haben. "Global A Go-Go" wird aber die meisten Fans von ihm (so
wie mich) vertreiben. Weltmusik ist ja Geschmackssache, aber das ist noch
lang kein Grund alle Lieder unmotiviert in die Länge zu ziehen. Trauriger
Höhepunkt ist "Minstrel" Boy mit 17 Minuten.
Die vielen Einflüsse, die sehr dichte Musik - das ist zwar alles
sehr beeindruckend - erreicht aber nur den Kopf. Der Fuß wippt nicht
mit, kein Lied bleibt im Gedächtnis. (vf)
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The
Tiger Lillies: The Brothel to the Cemetery (Warner)
Das
Londoner Trio, bestehend aus Martyn Jacques, Adrian Huges und Adrian Stout
hat sich mit seiner mittlerweile 11. Platte in einem ungewönlichen
Genre niedergelassen.
Ihre Mischung aus Polka und Chanson, Tom Waits und Marianne Faithfull,
tragen sie mit Kopfstimme und zu einem herzzerreißenden Akkordeon
vor. Dementsprechend handeln auch die Texte von Prostituierten und Drogensüchtigen,
von Hoffnung und Verzweiflung und wenn ich Brecht besser kennen würde
- vielleicht wären da doch einige Zitate zu finden.
Natürlich ist eine solche Musik ein Minderheitenprogramm. Schön
sind ihre Lieder allemal und deshalb seien sie allen ans Herz gelegt.
(vf)
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Lucinda
Williams: Essence
(Lost Highway)
Country
zählt in unseren Breiten zu den zu Unrecht verschmähten Musikrichtungen.
Das neue Album von Lucinda Willams bietet wieder einmal eine Möglichkeit,
diesem Umstand anzuprangern.
13 scheinbar schwebende Lieder über "Lonely Girls", den
"Bus to Baton Rouge" oder "Broken Butterflies", Bekenntnisse
wie "I envy the wind" und bverhaltene Heuler wie "Blue"
und "Reason to cry" strafen alle Lügen, die Country für
oberflächliche Schunkelmusik halten.
Niemals hat Pop bittersüßer geklungen.
Eine unwiderstehliche Einstiegsdroge. Anhören, bevor auch diese letzte
Freude verboten wird. (vf)
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Neu!:
Neu!; 2; 75
(alle drei EMI)
Musikgeographisch
denkt man bei Düsseldorf vor allem an die Elektro-Pioniere Kraftwerk.
In deren Schatten ist aber auch so manch anderes feine Kraut gewachsen.
In die erste Reihe des Krautrock Pantheons sind nun auch Neu! offiziell
mit einer neuaufgelegten CD bzw. Vinyl Edition Ihrer drei Alben eingegangen.
Bereits das
Debut-Album von 1971 "Neu!" besticht durch scharf komprimierte
Schlagzeuglinien, monotone Gitarrengrooves, und Geräuschmontagen
aller Art.
Bei der Nummer "Hallogallo" entwickelt sich daraus eine Motorik,
die den Anschein erweckt, zielgerichtet die Unendlichkeit anzupeilen.
Entlang dieser präzisen Linearität rauschen und dröhnen
Gitarrenwolken unvermittelt in den offenen Raum.
Das zweite
Album "Neu! 2" von 1973 verblasst im direkten Vergleich dazu
ein wenig und bietet kaum Überraschungen.
Ganz anders
Album Nummer drei "Neu! `75": Während die erste Seite noch
in der Tradition der Vorgängeralben steht, und durch mitunter harmonische
Ansätze für meinen Geschmack leicht ins Esoterische abdriftet,
manifestiert sich in der zweiten Seite eine Art Proto-Punk Sound.
Schrille Akkorde und schräger Gesang zerpflügen die immer noch
monoton gehaltenen Schlagzeuglinien, alles wirkt roh und provisorisch.
Und es fetzt. Dies gilt insbesondere für die Nummern "Hero"
und "After eight".
Die meiner Meinung nach überragendste Nummer ist allerdings "E-Musik",
eine spacige und extrem intensive "Hallogalo"-Mutation.
Hauptverantwortlich für den bahnbrechenden Sound von Neu! sind Michael
Rother (Gitarre) und Klaus Dinger (Schlagzeug). Zu Ihren größten
Fans zählt David Bowie, der sich wahrscheinlich mehr als nur Inspiration
bei den Düsseldorfern geholt hat. (dp)
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Rufus
Wainwright: Poses (Dreamworks)
Wainwrights
Debutalbum war herausragend und einzigartig. Der nachfolger ist ein typisch
schwieriges zweites Album - für ihn genauso wie für die HörerInnen.
Der Titeltrack oder "Cigarettes and Chocolate Milk"sind großartige
Songs. Trotzdem klingen sie eigenartig. Ob das gewollt ist? Außerdem
klingen die Lieder sehr verschieden, die einzelnen Produzenten haben ihnen
ebenso ihren persönlichen Stempel aufgedrückt wie Wainwright
selbst. Eher etwas für Fans, die sich die Zeit nehmen, das Album
"durchzuarbeiten". (vf)
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Avalanches:
Since I Left You (Edel)
Dieses
Album kann man nur lieben oder hassen. Die Australier stehlen sich fröhlich
und mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit durch vier Jahrzehnte
Popgeschichte und sampeln was das Zeug hält. Hiphop, Soul, Disco,...
Ihren eigenen Stil haben sie zweifellos. Sind sie deshalb schon originell
und interessant? Für mich nicht. Aber wie gesagt: Entweder heisse
Liebe oder glühender Hass. Gleichgültig kann das niemanden lassen.
(vf)
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Air:
10000 Hz Legend
(Source/Virgin)
Die
beiden Franzosen haben mit dem Problem zu kämpfen, das alle außergewöhnlichen
Debutalben (Moon Safari) hervorrufen: Allein das Niveau des Erstlings
zu halten ist eine Leistung, doch das Publikum verlangt mehr. Air haben
versucht, sich durch den Soundtrack zu "Virgin Suicides" dieses Drucks
zu entledigen. Es war ebenfalls hervorragend und ruft noch lange die Bilder
des Films hervor.
Trotzdem
blieb die Erwartungshaltung: Wie wird das zweite Album? Es ist wieder
mehr als hörenswert. Neben der Air-typischen Elektronik und Easy Listening-Klängen
haben sie diesmal auch typische Rockelemente einfließen lassen. Damit
haben sie vielleicht versucht, dem direkten Vergleich mit "Moon Safari"
zu entgehen. Gleichzeitig ist aber der charakteristische Sound verloren
gegangen.
Nach
der ersten Enttäuschung über den Verlust des Gewohnten kann das Album
für sich allein durchaus bestehen. Der Opener "Electronic Performers",
schließt noch am ehesten an die früheren Lieder an, "How Does It
Make You Feel" beruht auf einer akustischen Gitarre. "The Vagabond" beginnt
sogar mit einer ausgiebigen Mundharmonika-Passage. Höhepunkte sind die
üppig-psychdelische Space-Hymne "Donīt Be Light", auf der Beck singt,
und das nervös-unheimliche "Lucky and Unhappy". (vf)
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Space
Kelly: Erster Alles (apricot/Ixthuluh)
Luftig-leichten
Pop will Space Kelly machen. Das ist gar keine schlechte Kategorie, doch
luftig kann auch blass und leicht unbeeindruckend bedeuten.
Dass Space Kelly sympathisch ist und seine Lieder einen Charme versprühen,
wird wohl niemand bezweifeln.
Trotz aller sorgfältig inszenierten Schnoddrigkeit kann er aber nicht
darüber hinwegtäuschen, dass die Texte oft nur mit Müh und Not in der
Musik untergebracht werden können.
Eine klare Empfehlung? Nein.
Eine Warnung? Noch viel weniger, denn "Die schönsten Mädchen gibt es in
Amsterdam" oder "Ich wollte nie eine Nacht mit einem Groupie verbringen"
sind schon reizvoll.
Doch echte Hitqualitäten fehlen: Weder fetzig für den Tanzboden, noch
so witzig und wie Sterne oder Tocotronic. Unentschieden. (vf)
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Serge
Gainsbourg - Spezial Edition zum 10ten Todestag
(Mercury France)
Mercury
France nahm den zehnten Todestag von Serge Gainsbourg zum Anlaß, das Gesamtwerk
des exzentrischen Genies auf CD und Vinyl (!!) wiederaufzulegen. Ein längst
überfälliges Unternehmen, war doch gerade das Jazz und Latin-orientierte
Frühwerk des "Godfather of French Pop" von diversen Kompilationen abgesehen
für Normalsterbliche fast unmöglich zu beziehen.
Ganz
konkret handelt es sich dabei vor allem um seine ersten vier 10'' von
1958 bis 1962 sowie die ersten zwei LPs ("Confidentiel" und "Percussions").
Bekannter, und nicht minder wertvoll sind seine spätsechziger und frühsiebziger
Alben, allen voran die Koproduktionen mit Brigitte Bardot ("la ballade
de Bonnie and Clyde") und Jane Birkin (je t'aime...moi non plus), sowie
das überwältigende Konzeptalbum "l' histoire de Melody Nelson", ein markanter
Höhepunkt im Schaffen dieses außergewöhnlichen Künstlers.
Ab
Mitte der siebziger Jahre geht es dann analog zum French Pop kontinuierlich
bergab. Rockelemente gewinnen zunehmend an Einfluss, die Nummern werden
schlaksiger und in gewisser Hinsicht desorientiert. Besonders erfreulich
an dieser Jubiläumsausgabe ist, daß nicht nur die Covers den Originalen
1: 1 entsprechen, sondern auch die Labels (!!!) originalgetreu belassen
wurden (Audiophilie total).
Ausgeblieben
sind leider entsprechende Reissues von EPs, Singles, und den diversen
Soundtracks. Und wenn ich schon bei insgeheimen persönlichen Wünschen
angelangt bin: Eine Ausgabe sämtlicher von Serge Gainsbourg komponierter
oder produzierter Nummern (zB. Francoise Hardy/Comment te dire adieu,
France Galle/poupee de cire
.etc. etc. etc.) wäre eine ganz große Sache.
Wem das Gesamtwerk von Serge Gainsbourg bis ins Detail interessiert, sollte
einen Blick auf http://www.geocities.com/moron200/gainsbourg/
werfen und staunen.
Der
Mann hat verdammt viel geleistet. Das oder ähnliches haben sich sicher
auch Howie B. , the Orb und Konsorten gedacht und das Tribute Album "Electronica
Gainsbourg" auf Mercury herausgegeben. Die Sachen sind dann auch zuweilen
durchaus nett und gelungen, aber an David Holmes Melody Nelson Remix (Donīt
die just yet) auf "Let's get killed " kommt keine Nummer heran. (dp)
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Ani
di Franco: Revelling/Reckoning (Righteous
Babe)
Ich
hab schon längst mit dem Zählen aufgehört. "Revelling/Reckoning"
ist also ca. das 10. bis 15. Album von Ani di Franco. Und zwar genau genommen
ein Doppelalbum mit 29 Liedern.
Was sie bisher ausgezeichnet hat, behält sie bei. Die aufmümpfige
Punk-Attitüde, das musikalische Gespür für unterschiedliche
Stile und ihre ausgezeichneten Texte finden sich wieder.
Gerade im Vergleich mit ihren beiden letzten Longplayern "UpUpUpUp"
und "To the teeth" hat sie diesmal eine enorme Lockerheit, die
ihren oft sehr ernst oder manisch wirkenden Texte sehr gut tut.
Nach "Little Plastic Castle" ihr bisher bestes Album. Dabei
sind mir bei den ersten Hörgängen sicher einige Details entgangen.
Doch bei der Frequenz, mit der ich sie höre, wird es nicht mehr lang
dauern. (vf)
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Ruby:
Short-Stuffed at the Gene Pool (Wichita/Ixthuluh)
Über
fünf Jahre hat das zweite Ruby-Album auf sich warten lassen. Während
das erste zeitgerecht zum TripHop-Rave herausgekommen ist, muss "Short-Stuffed..."
in einer Zeit absoluter Beliebigkeit bestehen. Das scheint Lesley Rankine
aber sehr entgegen zu kommen. Das Ergebnis ist Pop erster Klasse, der
sich leicht und selbstverständlich in der Musikgeschichte bedient,
das Gefundene dann elektronisch bearbeitet und in 11 Lieder gießt.
Es beginnt mit Big Beat, klaubt dann ein paar Jazz- und Latino-Häppchen
auf, vergreift sich an Rock und Reggae und schummert schließlich
behaglich. Ein Album, das mit jedem Mal Zuhören dichter wird. Unprätentiöse
Spitzenklasse! (vf)
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Various
Artists: Swinging Mademoiselles 2
(Sasha Monett Records)
Passend
zum Frühling bereichert diese Kompilation den musikalischen Speiseplan
mit leicht verdaulichen Kostbarkeiten aus der französischen Popküche der
Sechziger Jahre.
Zou Zou,, Caroline, Jocelyne, Zoe, Violaine heißen die Ingredienzien des
unbekümmert swingenden Potpourri.
Und die Pop-Mademoiselles von anno dazumal haben einiges drauf: ein buntes
Gemisch aus R`n`B, Beat und flotten Orchesterarrangements, garniert mit
pfiffigen Texten, obligatorischen "Ye Ye"- Refrains und der einzigartigen
französischen Sprachmelodie.
Stilvoll
auch das Cover, auf dem das Design des Vogue Labels von neuem erstrahlt.
Alles in allem eine sehr feine Sache. (dp)
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Cecilia
et ses ennuis: Les petits hommes vertes
(Wild Wild Records)
Die Band
aus Frankreich mischt auf Ihrer Debut-Single klassischen French Pop mit
Sixties Garage. Die ganze Sache klingt dann auch sehr nett, und erinnert
passagenhaft sogar an Rita Mitsouko, was bei dieser Kombination eigentlich
verwunderlich ist. Wermutstropfen bleibt allerdings, daß es sich um eine
Retro-Geschichte handelt. (dp)
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Nick
Cave & The Bad Seeds: No More Shall We Part (Mute)
Alle, die
nach Caves Best Of-Album letztes Jahr gefürchtet haben, der Meister
des Schreckens, der Verzweiflung und der Finsternis könnte sich zurückziehen,
können erleichtert aufatmen.
Nick Cave
ist in alter Frische wieder da. Im Vergleich zu den letzten Alben ist
er noch leiser geworden, ekstatische Ausbrüche sind seine Sache nicht
mehr.
Doch die Bedrohungen lauern hinter jeder Ecke. Geändert hat sich
nur die musikalische Beschreibung Caves.
Vom lieblichen
"As I Sat By Her Side" bis zu "Darker With The Day"
hat Nick Cave auf seinem neuen Album 12 Lieder der Spitzenklasse.
Die Diskussion, ob es sein bisher bestes Album geworden ist, sollen andere
entscheiden. Sehr hörenswert ist es jedenfalls geworden und wer es
nicht anhört, hat selbst den Schaden (vf)
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Goldfrapp:
Felt Mountain (Edel)
Zuerst
wollte ich Goldfrapp ja nicht einmal ignorieren.
Die Vergleiche mit dem Portishead-Debut, mit John Barry und Ennio Morricone
ließen Edelkitsch befürchten.
Das ist es auch geworden. Pop wird nicht neu erfunden, aber die neun Tracks
zu imaginären Filmsequenzen lassen einen trotzdem nicht los.
Muss
ich mich genieren, weil mir diese Platte gefällt?
Ich werde diese Frage sicher nicht so schnell los werden.
Trotzdem: Eine absolute Pflicht-Scheibe, deren Melodien sich sofort im
Ohr fest setzen. Und zur Not muss man ja nicht zu diesem Kauf stehen.
(vf)
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Ladytron:
604
(Invicta HI-FI)
Erfrischend
unbekümmert gibt sich das Quartett aus Liverpool auf Ihrem Debutalbum
604.
Und der Spagat zwischen Pet Shop Boys (erste Assoziation bei der Nummer
Playgirl), Kraftwerk und dem gewissen Grad an Punk Attitüde, die Bands
wie Human League (in ursprünglicher Besetzung) und New Order elektronisch
auf den Punkt brachten, geht auf.
Ungeniert und etwas verfremdet wird da das Leitmotiv von Kraftwerks Model
in der Nummer "He took her to a movie" abgespult. Coolheit siegt.
Elektronische
Raw Power fügt sich in süßliche Gesangsflächen, locker gestreute Beats
und verspielte Klang Accessoires - synthetischer Pop wörtlich verstanden.
Und mit der Nummer "Playgirl" ist Ladytron auch die einzuckernde Ohrwurmattacke
gelungen. Alles in allen ein durch Charme, Ungezwungenheit und Nostalgie
bestechendes Elektropop-Kleinod. (dp)
nach
oben
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Stephen
Malkmus: Dito (Domino/Virgin)
Stephen
Malkmus, Mastermind von Pavement, meldet sich mit seinem viel beachteten
Solo-Debüt nur wenige Wochen nach Bekanntgabe der Auflösung
der Band zurück.
Überraschenderweise
(oder auch nicht) klingt das alles noch immer ziemlich nach Pavement.
Malkmus wirkt aber lockerer, das bei Pavement manchmal etwas bemühte
Indie-Getue ist weg. Dafür lugen seine Vorbilder um die Ecken: Tom
Verlaines Television und Lou Reed kommen immer wieder durch. Doch wer
solche Songs und ein in sich derart stimmiges Album aus dem Ärmel
schüttelt, braucht keine Angst zu haben, dass er als Imitator endet.
Mit anderen
Worten: Wer Pavement gemocht hat, kann hier getrost zugreifen.
Wer sie nicht gemocht hat, bekommt die Chance, seinen Irrtum wieder gut
zu machen. (vf)
nach
oben
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Dido:
No Angel (BMG)
Ganz
neu ist diese Platte nicht, doch da "Thank You" von Eminem gesamelt
worden ist, steht sie plötzlich im Rampenlicht.
Didos Stimme ist dabei das Aufregendste, es wird aber schnell klar, warum
diese Platte ein Jahr lang kaum aufgefallen ist. Dido wird wirkt wie eine
Mischung aus Sinead O´Connor und Dolores O´Riordan (Cranberries),
die Musik wirkt als patzige Zugabe zur Stimme.
Neben teils sehr schönen Passagen gibt es vorhersehbare und uninspirierte
Teile. Die nerven auf Dauer. Schade. (vf)
nach oben
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Russell
Simins: Public Places
(Grand Royal/Virgin)
Schlagzeuger
bei der Jon Spencer Blues Explosion, Remixer von so unterschiedlichen
Bands wie Stereolab, Duran Duran, Asian Dub Foundation und Luscious Jackson,
untergekommen beim Beasty Boys-Label "Grand Royal": Was die einen sofort
als überwältigende Vielfalt preisen, stößt den anderen aufgrund allzu
großer Beliebigkeit sauer auf.
Dieser unterschiedliche Zugang zu Musik wird wohl bei allen entscheiden,
ob sie diese Platte mögen. Denn sowohl vom Songwriting und der Produktion
ist sie meisterlich. Kein einziges Lied, gegen das sich etwas sagen lässt,
außer Du magst keinen HipHop, hast Probleme mit nervenden Gitarrensoli
etc.
Die langjährige Erfahrung Siminsīals Musiker und Remixer sticht bei diesem
Album besonders heraus und deshalb ist es wohl auch ziemlich irreführend,
"Public Places" als sein Debutalbum zu bezeichnen.
Also: Wieder einmal eine gelungene Allround-Scheibe, die für jeden Anlass
und alle Stimmungen etwas zu bieten hat. PuristInnen wird das nicht überzeugen.
Na und? (vf)
nach
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Anywhen:
The Opiates
(Clearspot/Ixthuluh)
Wer sich
noch an das Debutalbum von Anywhen 1997 erinnert, wird sicher sehr gespannt
sein. Wer mit diesem Namen nichts anfangen kann, hat es allerdings um
einiges leichter, denn seit damals ist kein Stein auf dem anderen geblieben.
Rock im eigentlichen Sinn gibt es nicht mehr, dafür zarte Popsongs, die
so wirken, als würden sie sich beim Lauterdrehen der Stereoanlage auflösen.
Die akustischen Gitarren werden bei fast allen Liedern von einem Warschauer
Orchester begleitet, was ausnahmsweise (wie z.B. letztes Jahr bei Jimi
Tenor) sehr stimmig wirkt.
Trotz aller Begeisterung: "The Opiates" ist eine Platte, die ich mir in
den letzten Wochen mehrmals anhören musste, bis sie mich mit gerissen
hat. Als Hintergrundmusik verweigert sie sich völlig. Mit anderen Worten:
Ein Leckerbissen für ForscherInnen und EntdeckerInnen. (vf)
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