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                                        CDs der Woche 2000


 

Bright Eyes: Fevers and Mirrors (Wichita/Ixthuluh)

Conor Oberst veröffentlichte mit 13 Jahren sein erstes Tape mit vier akustischen Liedern. Es folgten sechs CDs und einige 7", er nannte sich unter anderem Commander Venus oder Park Ave. Sein Hauptprojekt in den vergangenen Jahren war aber Bright Eyes.
Nun ist er 20 und hat mit "Fevers and Mirrors" eines der spannendsten und vielfältigsten Indie-Gitarren-Alben dieses Jahres herausgebracht. Musikalisch wirkt er mit seinen oft akustischen Liedern, die mit Flöten, Keyboard und Piano angereichert sind, ziemlich britisch.
Die Texte überzeugen durch ironische und melancholische Larmoyanz.
Doch so ganz lässt er sich nicht festlegen. In Interviews (eines ist auf der CD), tut aber auch nichts, um schnelle Schubladisierungen zu unterbinden.
Wenn er weiter so manisch arbeitet, wird wohl bald wieder etwas von ihm zu hören sein. (vf)



 

Popshopping
(Crippled/EFA/Ixthuluh)

Revivals gibt es zur Genüge, doch dieses Album zeigt, dass sie nicht so geistlos wie "Wickie, Slime und Paiper" ausfallen müssen.

"Popshopping" versammelt 27 Werbelieder der Jahre 1959 bis 1975. Stilistisch sind sie hauptsächlich im Easy Listening-Bereich angesiedelt, bei genauem Hinhören bieten sie aber unerwartete Schätze. Völlig unzweideutig kommen etwa die sexuellen Anspielungen bei "Minikillers I" (Was könnten Minikillers sein, in welchem Verhältnis stehen sie zu diesem hemmungslosen Gestöhne? )

Völlig undenkbar wäre es heute auch, mit den Worten "Zünd mir eine Schlampe an" von einer Frau um Feuer für Zigaretten gebeten zu werden. "Komm in Fahrt, das macht munter" würde heute wohl ebenfalls als Werbung für Bier nicht mehr durch gehen (Wer sich jemals gefragt hat, warum das ORF-Gesetz Werbung für Alkohol mit sexuellen Konotationen verbietet, findet hier den Grund).

Zusammenfassend: Weniger pc, dafür inhaltlich mutiger und vielseitiger als ähnliche Abgesänge auf die 60er- und 70er-Jahre. Ah ja: Die Musik bietet Hammondorgeln, Vibrafone, funkige Gitarren und Bläser, auf die einen Dancefloor durchaus zum Kochen bringen könnten. (vf)



  The 6ths: Hyacinths And Thistles (Circus)

Stephin Merritt ist besessen. Seit zehn Jahren macht er unter verschiedenen Namen großartige Musik. The Gothic Archives oder The Future Bible Heroes nennen sich diese Projekte. Oder The Magnetic Fields, deren "69 Love Songs", ein 3 CD-Set, im Frühling veröffentlicht wurde und zumindest die KritikerInnen der Musikzeitschriften zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat.

Nur wenige Monate später legt er ein weiteres Meisterwerk nach. The 6ths ist ein Nebenprojekt von Merritt, bei dem er unterschiedliche MusikerInnen und SängerInnen seine Lieder interpretieren lässt. Allein die Liste derer, die er für "Hyacinths and Thistles" ausgesucht hat, ist ja schon mehr als beeindruckend: der britische Songwriter Momus, Sally Timms (Mekons), Bob Mould (Husker Dü und Sugar), Melanie, Sarah Cracknell (St. Etienne), Neil Hannon (Divine Comedy), Gary Numan und Mark Almond, um nur die mir bekannten zu nennen.

Das ergibt 13 leichte chansonartige Popsongs, die schöner und eindringlicher nicht sein könnten. Den Anfang macht Momus mit "As you turn to go", einem bitter-süssen Liebeslied. "Give Me Back My Dreams" (When the clock strikes three I don´t care about you or anything - when the clock strikes four I could sell my soul to hear my telephone ring), Melanies "I´ve Got New York" oder "Like A Movie Star" wären ebenfalls jedes für sich ein Grund, das ganze Album zu kaufen.

Doch es macht wenig Sinn, einzelne Lieder herauszuheben: "Kissing Things" steht den oben genannten ebenfalls in nichts nach. Schöner, berührender, bissiger, ironischer, zynischer, resignativer, hoffnungsvoller und abgeklärter kann Pop nicht sein.
Kaufen, stehlen, ausborgen - auf jeden Fall hören.(vf)



  Die Erben der Scherben:
Keine Macht für Niemand

(Bigpop/Virgin)

Das 1972 veröffentlichte zweite Ton Steine Scherben-Album "Keine Macht für Niemand" gehört zu den Meilensteinen der deutschen Rockmusik. Rio Reiser und seine Band waren eines der bedeutendsten Sprachrohre der kritischen Jugend der frühen 70er, ihre Verbindung von politischem Aufbegehren und intim-persönlichen Texten hat bis heute niemand in dieser Radikalität geschafft.

Trotzdem bleibt die Frage: Wie passt so ein Projekt ins Jahr 2000? Die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte der letzten 30 Jahre wird selbst oder gerade unter der rot-grünen Koalition nicht gerade groß geschrieben (außer wenn Cohn-Bendit gerade vor Gericht aussagt). Beispielhaft dafür ist die Kontroverse um den Fim "Die innere Sicherheit".

Umso erstaunlicher ist es, dass "Keine Macht für Niemand" (rechtzeitig vor Weihnachten) von bekannten deutschen MusikerInnen neu interpretiert wird. Mit dabei: Nina Hagen, Blixa Bargeld, Thomas D, Henning Wehland (H-Blockxs), Ferris MC, Tobi (5Sterne DL), Schorasch Kamerun, Sen...

Die Ergebnisse sind so vielseitig wie die KünstlerInnen: A capella Gesang, Metal und Raps müssen die Lieder über sich ergehen lassen. Am Ende stehen 23 sehr subjektiv interpretierte Tracks, die die Stimmung der Originale fast alle (Ausnahmen: Nina Hagen, DJ Bim) gut treffen. Anachronistisch und gerade deshalb doppelt interessant. (vf)



  Gentle Waves: Swansong For You
(Jeepster/Ixthuluh)

Isobell Campbell ist als Mitglied von Belle and Sebastian offensichtlich nicht voll ausgelastet. Das ist unser Glück, denn das zweite Album ihres Soloprojektes Gentle Waves ist ganz zauberhaft geworden.
Losgelöst von allen musikalischen und sonstigen Trends bastelt sie an ihrem eigenem Gegenkonzept zum Jahr 2000: Das 60er-mäßige Cover mit Katze, die ruhigen Lieder, die teils mehr von Flöten und Geigen als von Gitarren getragen werden, und die Texte über Liebe, Vergänglichkeit und den Zauber kleiner Details zeugen von radikaler Individualität.
In ihren selten Interviews begründet sie diese Positionierung mit ihrem Mißtrauen gegen theoretische Ansätze in der Musik und der Ermüdung von klassischen Alternative-Formaten. Dafür sind schließlich Belle and Sebastian zuständig. (vf)



  Lloyd Cole: The Negatives

Lloyd Cole gehörte zu den smarteren Pop-Ikonen der 80er-Jahre. Etwas ironischer als Morrisey beklagte er die Unzulänglichkeiten des Lebens und tröstete uns durch die Teen-Jahre.

In den 90er-Jahren veröffentlichte er zwar einige Platten, die aber kaum Eindruck hinterließen. Jetzt hat er mit den Negatives eine neue Begleitband gefunden und die Lieder klingen so entspannt wie nie zuvor.

Er schummelt sich in Ohr und Herz, wo er sich zielsicher festsetzt. Wie in den 80ern ist er zehn Jahre älter als wir und er hat schon die Worte für all das, was wir gerade erst zu ahnen beginnen. Ein cooler großer Bruder, mit man mitwachsen kann und der zwar keine Lösungen, aber schöne Formulierungen für alle Lebenslagen bereit hält. Ein schon länger fälliges gelungenes Comeback. (vf)



 

Teenage Fanclub : Howdy
(Columbia/Sony)

Mit ihrem mittlerweile sechsten(?) Album stellen Teenage Fanclub endgültig klar, dass sie die Britpop-Band sind, die es mit den Tempelheiligen am ernstesten nimmt. Die Beatles oder Creation würden im Jahr 2000 nicht anders klingen.

Mieselsüchtige Apologeten des Fortschritts bemängeln zwar regelmäßig, dass nichts weitergeht, keine weiteren Einflüsse verarbeitet werden etc. Doch wen kümmert das ernsthaft? Werden ihre Platten deshalb schlechter oder langweiliger?

Die eingängigen Melodien bringt sonst kaum eine Band so selbstverständlich und leicht zustande, die Gitarren und die Orgel sind ohne Konkurrenz.
Wie kommentiert "Spex" die Ausrichtung von Teenage Fanclub auf die vier großen B´s - Beatles, Beach Boys, Byrds und Buffalo Springfield so schön: "Für die Aufrechten unter uns war das immer weniger ein Problem als schlicht und einfach der rechte Weg."
Yeah. (vf)



 

Barbara Morgenstern: Fjorden
(maobeat/bmg ufa)

Barbara Morgenstern: Diesen Namen kann wohl niemand erfinden, geschweige denn als Künstlerinnennanmen verwenden. "Glück gehabt" sagt sie dazu im Spex-Interview und sie hat recht. Kein anderer könnte besser zu ihrer Musik und vor allem den intimen, gedichtartigen, melancholischen Texten passen.

Das einfache Coverbild nimmt die Musik vorweg: Spröde elektronische Töne, die sich manchmal nur mit Mühe zu einem einheitlichen Track zusammen halten lassen. Darunter liegt fast durchgehend das typische Kratzen von Vinyl, darüber ihre sanfte, zurückhaltende Stimme. Das klingt sehr gefährlich, doch sie hat elegant alle Fallen und Fettnäpfchen, die bei einem solchen Unterfangen im Weg stehen, vermieden.

Mit "Fjorden" setzt Morgenstern den Weg, den sie mit ihrer "Vermona ET6-1"-LP 1998 begonnen hat, konsequent fort. Vielleicht die schönste deutsche Platte dieses Jahres. (vf)



  The Sea and Cake: Oui (Clearspot/Ixthuluh)

Der Nachfolger zu Ihrem 97-erAlbum "The Fawn" geht den dort eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Die Lieder wirken zerbrechlich, entwickeln sich langsam und könnten auch als Hintergrund zu einem Yoga-Seminar Gebrauch finden.

Es wäre trotzdem unfair, sie in die Kategorie "Verspieltes Easy-Listening" einzuordnen. Bei genauerem Hinhören bemerkt man, dass gerade diese Zurückhaltung überraschende Wendungen und Kontraste entstehen läßt. Das Quartett um Sam Prekopp arbeitet mit subtilen Mitteln an der Zerstörung des klassischen Pop-Formats.

Das Ergebnis sind mystische Klangwelten, die entdeckt werden wollen. Dazu gehört sicher einige Geduld und Ruhe, da es diesmal keine Hits wie "Sporting Life" gibt.

Für alle, die auf der Suche nach charismatischen Eigenbrötlern und verschrobenen, einmaligen Soundbastlern sind, eine Pflichtplatte. (vf)



  Torch: Blauer Samt (V2)

Dieser Mann hat einen Auftrag. Er rappt, als würde sein Leben davon abhängen und scheint aus einem unerschöpflichen Fundus an Themen zu schöpfen. Pathetische Kommentare zur Lage des Planeten (Die Welt brennt) stehen neben Bestandaufnahmen des Hip Hop (Wir waren mal Stars), mittelalterlichen Rittersagen und dem Höhepunkt des Albums, der Geld-Hymne "Blauer Schein".

Neben diesen globalen Themen kommen auch die persönlichen nicht zu kurz: "Als ich zur Schule ging", "Hey Mädel" oder "In deinen Armen". Wer sonst bringt die Zeilen " ich wollte immer einzigartig sein - und nun hab ich´s geschafft, in deinem Herz ist nur Platz für einen" und "Auf der Suche nach Identität, ein schwarzer Deutscher - Haiti ist weit und Ostpreussen fast noch weiter" mit leichter Hand in einem Stück unter?

Torch nimmt die Texte wichtiger als die meisten seiner deutschsprachigen Kollegen und kann es durchaus mit Fanta 4 oder Schönheitsfehler aufnehmen. Sein Gespür für soulige Beats rundet diese Platte ab. Wie unsere bundesdeutschen Nachbarn sagen würden: Erste Sahne. (vf)



  The Animalhouse:
Ready To Receive

(BMG)

Mark Gardener und Loz Colbert haben nach der Auflösung von Ride 1997 The Animalhouse gegründet. Endlich ist jetztjetzt ist endlich das Debutalbum da. Und das Warten hat sich eindeutig gelohnt.

Die ersten sechs Lieder zeigen die rockigen Fähigkeiten und enthalten auch die beiden Single-Auskoppelungen ("Small" und "Animal"). Die zweite Hälfte der Songs sind dann ruhiger und zurückhaltender, ohne aber deshalb an Klasse zu verlieren. Ganz im Gegenteil, das Potenzial dieser erfahrenen Musiker zeigt sich in seiner ganzen Breite. Insgesamt sind die Parallelen zu Ride unüberhörbar, doch Animalhouse setzen mehr auf Ohrwürmer und gestraffte Strukturen als ihre Vorgänger.

Eingängige Melodien und versteckte Feinheiten, die sich erst nach mehrmaligem Hören erschließen, machen dieses Album zu einer der besten Gitarrenproduktionen dieses Jahres. Die Ohren auf und "Ready to receive". (vf)



  J Mascis and The Fog: More Light
(City Slang/Virgin)

J Mascis leidet nach wie vor an dieser Welt. Das führt aber nicht zu depressiver Untätigkeit, sondern in seinem Fall dazu, dass er zur Sicherheit gleich alle Instrumente selbst einspielt. Nur von Kevin Shields (My Bloody Valentine) und Bob Pollard (Guided by Voices) nimmt er Hilfe an, da sie seiner Stimmung ziemlich nah kommen.

Im Klartext: Alles wie gehabt. Der Übergang von Dinosaur Jr., bei denen er ja am Schluß auch fast alles selbst eingespielt hat, zu seinem ersten Soloalbum ist daher kaum merklich vor sich gegangen.
J Mascis ist nach wie vor ein begnadeter Songwriter, der seine Lieder eigenartig verschachtelt und immer wieder einzigartigen Gitarrensoli würzt. Dieses Album kann es locker mit seinen Meisterwerken wie "You´re living all over me" aufnehmen. (vf)



  Go Betweens: The Friends of Rachel Worth
(Clearspot/EFA)


Die Go Betweens bescheren uns wohl die Reunion des Jahres. Robert Forster und Grant McLennan haben unter anderem Janet Weiss, die Schlagzeugerin von Sleater Kinney, engagiert und damit erfolgreich verhindert, dass diese Platte eine glatte Retroproduktion von gelangweilten Pop-Pensionisten wird.

"The Friends of Rachel Worth" muss sich natürlich den Vergleich mit den alten Meisterwerken der Australier gefallen lassen. "Send Me A Lullaby", "Before Hollywood" oder "Spring Hill Fair" sind sicher außergewöhnlicher, aber der Charme ist geblieben: Unbeeindruckt von Moden und Trends leben die Go Betweens in ihrem eigenen melancholischen Universum.

Verspielte Naturen werden wieder Spaß daran finden, die Unterschiede der beiden Songwriter in den Liedern zu suchen und schnell zu finden. Eine der absoluten Spitzenplatten dieses Jahres. (vf)
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  Toploader: onka´s big moka
(Sony)

Ein Sommeralbum der Sonderklasse: 12 Popsongs erster Güte, die stark in den 6o-er Jahren verwurzelt sind und knapp, aber sicher, am Kitsch vorbeigehen.

Die erste Single "Dancing in the moonlight" hat sich ja bereits in Funk und Fernsehen festgesetzt. Die anderen Lieder stehen diesem an Klasse um nichts nach, sind aber teilweise doch etwas energetischer. Einziger Ausrutscher: "Only for a while".

Höhepunkte sind "Higher state"; "Highflying bird" und "Just about living", dessen Orgel an die besten Momente der Small Faces erinnert. (vf)
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  The Apples in Stereo:
The discovery of a world inside the moone

(Cooking Vinyl)

Während andere Bands Beach Boys-Songs covern, spielen The Apples in Stereo ihre eigenen Lieder und klingen trotzdem so, als wäre die Zeit im Jahr 1966 stehengeblieben.

Die Band schüttelt eingängige Melodien, harmlose 60-er Harmonien und mehrstimmigen Gesang aus dem Ärmel, als wäre das heute die natürlichste Sache der Welt. "The rainbow" oder "Look away" klingen manchmal so perfekt, dass sie beim flüchtigen Hören fast langweilig wirken.
Daneben finden sich psychedlische Momente im Stile von Pink Floyds "The piper at the gates of dawn".

Wer nicht an das Gute im Menschen glaubt, wird mit dieser Platte höchstwahrscheinlich nichts anfangen können. Wer aber auch musikalische Welten abseits von rasender Geschwindigkeit und brachialer Gewalt schätzt, wird sich diesem eigenwilligen Universum nicht verschließen können. Phil Spector hätte es nicht besser machen können. (vf)
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  Shellac: 1000 Hurts
(Touch and Go)

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der mehr mit Alternative Music verbunden wird als Steve Albini. "1000 Hurts", das inzwischen schon elfte Album von Shellac, beweist, das er diesen Ruf zu Recht noch immer besitzt.

Nach dem Opener "Prayer to god" wissen wir bereits, wo es lang gehen soll: "Kill him, fuckin kill him". Hier werden keine Kompromisse gemacht, weder musikalisch und textlich, geschweige denn an irgendwelche Geschmäcker oder Radio/MTV-Tauglichkeit.

Langsame, fast meditative Passagen werden durch Hardcore-Einlagen unterbrochen, selten passt die ausgelutschte Bezeichnung vom Gitarrengewitter so genau. Neben Albini selbst begeistert die umwerfend gute Rhythmusgruppe: Schlagzeug und Bass spielen wie ein Metronom (Oder wie der NME schreibt: Of course, having the best rhythm section in the world helps).

Die ultimative Verhöhnung des Musikbusiness und der Napster-Diskussion: Die LP kommt im großzügigen Kartonschuber mit der CD als Zugabe. Eine Geste, die bei anderen wohl lächerlich wirken würde. Bei Shellac passt sie wie die Faust aufs Aug.

Albini spielt, Albini produziert: Wer Shellac nach ihrem 1998er-Album "Terraform" bereits abgeschrieben hatte, sollte diese Meinung schleunigst wieder revidieren. "1000 Hurts" ist eines der besten Alben dieses Jahres. (vf)
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  Lotte Ohm: 17°
(WEA)

Lotte Ohm hat die gröbsten Probleme bere

its hinter sich. Das schwierige zweite Album hat er bereits 1998 abgeliefert. "17°", seine langerwartete dritte LP, erfüllt alle Erwartungen.

Wir finden alles, was Ohm schon bisher so unwiederstehlich gemacht hat: Musikalisch und textlich hat er wieder ins Volle gegriffen. Die fünfzehn Lieder werden von "die abenteuer des gustav gans" eröffnet, an dem sich der Stil des gesamten Albumsschon erahnen lässt: Sichere Zitate aus den letzten 40 Jahren, aber völlig abartig zusammengesetzt.

"mr. vertigo" lebt von einer wunderbaren basslinie, "ich erkläre dir die welt nicht so wie´s dir gefällt" lässt an Eindeutigkeit kaum etwas über.

Höhepunkt ist das raffiniert einfache "wege zur glückseligkeit". Im ersten Moment klingt es nach "Knockin´on heavens door", die ersten Zeilen deuten auf eine rührende Liebeserklärung hin und enden in den Worten: "Ich brauch nicht viel, um glücklich zu sein. Dich brauch ich nicht." Ein perfekter Popsong. Als Draufgabe gibt es zum Schluss noch ein Tocotronic-Cover: "ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen".

Ob diese Interpretation im Sinne der Erfinder ist, bleibt fraglich. Unterhaltsam ist es jedenfalls. Und übertrifft die meisten KOOK-Variationen locker. (vf)
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Neutral Milk Hotel: In the aeroplane over the sea

Neutral Milk Hotel haben ihr wunderschönes Album bereits 1999 veröffentlicht, jetzt ist es endlich auch in Österreich erhältlich.

Die Band um Jeff Mangum stammt aus Louisiana, was ihnen aber (egal was man sich davon erwarten mag) nicht anhört. "In the aeroplane..." ist ein wunderbar dichtes Album, das wie selbstverständlich zwischen kraftvollen elektrischen und leichten akustischen Liedern hin und her springt.

Gerade die ruhigeren Lieder sind sehr persönlich persönlich angehaucht und versprühen den Charme von netten Jungs von nebenan, die trotzdem etwas anders sind. In den 70er-Jahren wäre so eine Platte wahrscheinlich als Konzeptalbum bezeichnet worden.

Wie auch immer, " In the aeroplane..." ist mir schon nach zweimaligem Hören ans Herz gewachsen. Zum Glück soll im Herbst eine Europa-Tour anstehen. Hoffentlich verschlägt es die Band dabei auch nach Österreich. (vf)
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  Coldplay: Parachutes (Parlophone/EMI)

Dem Debutalbum von Coldplay wurden ja bereits seit Wochen Rosen gestreut: Titelbild und umfangreicher Bericht im NME, Riesenberichte in allen Musikmagazinen.

"Parachutes" ist in der Tat ein außergwöhnlich gutes Gitarrenrock-Album, besonders da es so überhaupt nicht nach einem Erstling klingt. Bereits die ersten beiden Lieder, "Don´t panic", leise und akkustisch, und das geradlinige "Shiver" zeugen von einer enormen musikalischen Bandbreite.

Die Singleauskoppelung "Yellow" ist ein Ohrwurm, der zwischen harten Riffs und getragenem Gesang schwankt. Vor allem verzichten sie auf die in Gitarrenpop-Kreisen so heiss geliebten Geigen und erinnern daran, dass ähnliche Effekte und Stimmungen auch mit Verzerrern, Pianos und ähnlichem erzielt werden können. Die zehn Lieder sind auf das nötigste reduziert und doch so intensiv, dass sie nie langweilig werden.

Coldplay geben ihnen die nötige Zeit und Breite, um sich zu entfalten. Alles klingt daher sehr zurückgelehnt und locker aus dem Ärmel geschüttelt. Britischer Gitarrenpop vom Feinsten. (vf)
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  Jimi Tenor: Out of nowhere (WARP)

"Dieser Finne ist wahnsinnig. Dieser Finne ist der personifizierte Pop." Selten trifft ein Werbeaufkleber auf einer CD den Punkt so genau. Aber was ist Pop heute? Vielleicht der ungenierte Umgang mit allen Musik-Genres, jedenfalls das Ignorieren der konventionellen Grenzen von U- und E-Musik.

Jimi Tenors neuer Geniestreich beginnt mit dem Titeltrack, einem klassischen Instrumentalstück, das von einem polnischen Orchester gespielt wird. Es folgt "Hypnotic drugstore", eine Mischung aus Klassik und Free Jazz. "Paint the stars" setzt auf Piano, Synthezizer, akkustischen Bass, stellenweises Orchester und sphärischen Gesang. Weiter geht es mit "Pylon", ein Saxophon setzt ein und lässt sich - von welchen Instrumenten eigentlich?- begleiten.

Mit diesem Album widersetzt sich Jimi Tenor endgültig allen Schubladen, er zitiert die gesamte Musikgeschichte nach Lust und Laune, wenn man ihm endlich gefolgt ist, springt er schon wieder ganz woanders hin.

Beim ersten Durchlauf habe ich mehrmals erwartet, dass die Beginne der Stücke in Lieder münden - so einfach macht er es uns aber nicht. Was beim Lesen vielleicht etwas konstruiert und bemüht klingt, ist aber faszinierend anzuhören und gar nicht ermüdend, was nicht zuletzt Tenors souliger Grundstimmung zu verdanken ist.

"Out of nowhere" ist verwirrend, unterhaltsam, immer wieder überraschend und größenwahnsinnig, steht über allen Konventionen und spricht somit hoffentlich HörerInnen aller Musikrichtungen an. Das gelungenste Experiment des Jahres. (vf)
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  Dakota Suite: Signal Hill (Glitterhouse)

Zwei Jahre nach dem fulminanten "Songs for a barbed wire fence" melden sich Dakota Suite endlich wieder mit einem kompletten Album zurück. In diesen zwei Jahren muss sich bei Sänger Chris Hooson einiges getan haben.

"Signal Hill" ist zwar nicht leicht und unbeschwert, doch der bittere Ton des Vorgängers ist verschwunden. Die Lieder werden nach wie vor mehr gehaucht als gesungen, die Gitarren wummern bleiern vor sich hin. Der Opener "The cost of living" beginnt noch mit den Worten " all the days go by - and the nights do, too - and I wonder how - I´m gonna live without you". Dauer: Sechs Minuten.

Doch spätestens bei "Raining somewhere" lehnt sich die Hoffnung gegen die Verzweiflung auf, das Piano trägt seinen Teil zur Aufmunterung bei.

Die letzten drei Nummern sind schließlich trotz ihrer Titel (Morning heavy, I turned away so that I might not see, When skies are grey) von einer schwerelosen Schönheit, die wohl kaum eine andere Band zustande bringt.
(vf)
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  Blonde Redhead:
Melody of certain damaged Lemons
(Touch and Go Records)

"Melody of certain damaged lemons" ist das fünfte Album des New Yorker Trios. Es wäre ihnen zu wünschen, mit diesem Meisterwerk endlich den Durchbruch zu schaffen.

Die gebürtige Japanerin Kazu Makino und die beiden italienischen Zwillinge Simone und Amedeo Pace haben ein wunderbares Popalbum mit starkem New Wave-Einfluss geschaffen, dass trotz aller Eigenständigkeit an die frühen Talking Heads und besonders bei "In particular" an Televisions "Marquee Moon" erinnert.

Darüber hinaus sind auch Texte besonders erwähnenswert. Persönlich, vertrackt, scheinbar einfach und naiv, aber auch widersprüchlich wie bei "This is not" und "A cure".

Es ist also völlig unnötig, wenn die Musikpresse mit Vorliebe erwähnt, dass das Album von Guy Picciotto (Fugazi) co-produziert wurde und dann rührende Geschichten über die drei jahrelang illegal in den USA lebenden erzählt. Die Musik spricht für sich und hat genug zu sagen. Unbedingt hineinhören! (vf)
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  Babybird: Bugged (Echo/Chryaslis)

"Bugged" ist das achte Album von Babybird in nur fünf Jahren. Von Routine oder Iddenlosigkeit ist deshalb aber nichts zu merken.
Das Trio spielt britischen Gitarren-Pop in höchster Vollendung, sorgfältig arrangierte ironische Betrachtungen über alltägliche Begebenheiten und Befindlichkeiten. Die einzelnen Lieder vermitteln sehr unterschiedliche Stimmungen. "Till you die" wirkt rotzig rechthaberisch, der Opener "F-Word" könnte als Dance-Nummer durchgehen, "All I want is love" und "The way you are" sind einfache akkustische Lieder mit dezenten (wirklich dezenten!) Geigen.
Daneben kommen immer wieder starke psychedelische Einflüsse durch, die ein Abdriften in übermäßige Gefälligkeit verhindern und einen guten Kontrast zum mehrstimmigen Gesang darstellen.
Eine perfekte Platte ohne Schwächen. Anspieltipp: Das schaurig-melancholisch-schöne "Fireflies". (vf)
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  Richard Ashcroft: Alone with Everybody (Hut)

"Alone with everybody" ist ein kräftiges Lebenszeichen von Richard Ashcroft, das auch alle überzeugen sollte, denen "Urban Hymns" zu schwülstig war.
Ashcroft präsentiert sich als Songwriter in Hochform, dessen Repertoire von sparsam instrumentierten Liedern bis zu üppig orchstrierten Nummern reicht.
Höhepunkte sind das rockige "New York", das folkig-poppige "I get my beat", das wüste "Everybody" und "Money to burn", das stark an die Stones erinnert. (vf)
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  Belle and Sebastian:
Fold your hands child, you walk like a peasant
(Jeepster)

Ob Belle and Sebastian die beste Band Britanniens sind, wie das Cover vollmundig meint, kann hier und jetzt natürlich nicht entschieden werden. Unbestritten ist aber, dass ihre Lieder einzigartig sind, was ihre Zartheit, die liebevolle Instrumentierung (Flöten, Geigen, Piano) und die eigenwilligen Texte, die so überhaupt nicht zur Musik passen, angeht.
Die Traurigkeit und der Weltschmerz, die sie schon immer verbreitet haben, tragen sie mit einer so einzigartigen Mischung aus Gleichgültigkeit und Pathos vor, dass die Lieder auch bei mehrmaligem Hören eigenartig fremd und unheimlich wirken.
"Fold your hands" liegt also ganz auf der Linie der früheren Platten und damit ist wohl schon alles gesagt: Wer kunstvoll arrangierten englischen Pop mag, wird dahin schmelzen. (Wer sie bisher Warmduscher genannt hat, wird sich nicht vom Gegenteil überzeugen lassen, kann aber kaum ein guter Mensch sein.)
Ideal zum vertiefen und oft hören. (vf)
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  Porcupine Tree: Lightbulb Sun
(k scope)

Ähnlich zerbrechlich und vergänglich wie das Cover-Foto beginnt das erste Lied. Doch rasch verdichtet sich der Sound, verschiedenste Instrumente und schwere Gitarren stören die Idylle.
Besonders die vielen Instrumente fallen schon beim ersten Hineinhören auf, leider auch - als einziger Kritikpunkt - die übertriebenen 70-er Gitarrensoli, die Porcupine Tree getrost ganz weglassen oder zumindest kürzen hätten können.
Die Single "4 chords that made a million" hat durchaus auch Hit-Qualitäten, so wie das ganze Album einige Ohrwürmer bietet. Aber das ist bekanntlich eine ganz andere Geschichte. (vf)



  Miles (V2)

Mit ihrem gleichnamigen Album haben die deutschen Miles gerade rechtzeitig zum Sommerbeginn eine gelungene Mischung aus verspielten Popmelodien und einfachen, geraden Gitarren-Riffs abgeliefert.
Der Opener "Disco Queen" kratzt mit seiner üppigen Orchestrierung haarscharf am Kitsch vorbei. Die erste Single-Auskoppelung"Perfect World" liegt auf der gleichen Schiene.
Miles besticht vor allem durch die Arrangements,die manchmal stark an Pulp erinnern.
Wer eher auf harte Gitarren steht, die nur durch etwas Gesang begleitet werden, wird außer bei "Baboon" kaum auf seine Kosten kommen. Für alle anderen sind Miles aber als Begleiter durch die kommenden heißen Monate zu empfehlen. Ob sie auch den Herbst überstehen?
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  XTC: WASP Star (Cooking Vinyl)

Nach ihrem jahrelangen Kampf mit Virgin, der XTC zur Untätigkeit verdammte, das zweites Album von Andy Partridge und Colin Moulding.
Experimenteller Pop der Sonderklasse ist das Ergebnis, eigenwillige, scheinbar einfache Gitarrenmusik, über die der dann der Gesang und spärlich andere Instrumente gelegt sind. Das Album erschließt sich daher teilweise erst beim zweiten Hinhören, was aber gar nicht stört, da das Mitlesen in den ironischen Texten ein eigenes Vergnügen ist. Egal ob verschrobene Liebeslieder (Stupidly Happy) oder eigenwillige Betrachtungen über die Irrwege des Lebens (Standing in for Joe) - sowohl textlich als auch musikalisch sind XTC nach wie vor eigensinnig und autonom wie sonst kaum eine andere Band.
Mit ihren Worten: I´m stupidly happy everything´s fine. (vf)
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  k´s Choice: Almost Happy (Epic)

Die sympathischen Belgier haben für ihr neues Album 13 wunderschöne Popsongs aus dem Ärmel gezaubert. Melodiöse Lieder, die trotzdem ihre Kanten besitzen, und so das Abgleiten in die Klebrigkeit verhindern. Und Sarah Bettens´Stimme ist eine Klasse für sich. Mehr als nur ein ideales Hilfsmittel für Annäherungsversuche. (vf)
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  Shivaree: I oughta give you a shot in the head for making me live in this dump (Odeon Recs.)

Wieder einmal ein schönes Beispiel, wie die Verbindung von Instrumenten und Elektronik ausschauen kann und bestens funktioniert.
Die zerrissene, leidenschaftliche Frauenstimme erkämpft sich ihren Platz zwischen Gitarren, Schlagzeug und Geräuschen. Anspieltipps: "Daring, losing guy" und "Oh no".
Sehr zu empfehlen. (vf)
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